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Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Steuer & Recht
Der
klagende Versicherungsnehmer begehrt Rückzahlung geleisteter
Versicherungsbeiträge aus einer Rentenversicherung nach einem
Widerspruch gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. und Schadensersatz wegen
vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung.
Er beantragte bei
der Beklagten den Abschluss eines Rentenversicherungsvertrages mit
Vertragsbeginn zum 1. Dezember 1998. Die Allgemeinen
Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation erhielt er mit
Übersendung des Versicherungsscheins. Dabei wurde er nicht ausreichend
über sein Widerspruchsrecht belehrt. Von Dezember 1998 bis Dezember 2002
zahlte der Kläger Versicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 51.129,15
Euro. Nachdem er den Vertrag im Juni 2007 gekündigt hatte, kehrte ihm
die Beklagte im September 2007 einen Rückkaufswert von 52.705,94 Euro
aus. Mit Schreiben vom 31. März 2008 erklärte der Kläger den Widerspruch
nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. gegenüber der Beklagten und forderte
sie zur Rückzahlung aller Beiträge nebst Zinsen auf.
Die
Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, weil der Widerspruch gegen das
Zustandekommen des Vertrages gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F.
verfristet gewesen sei. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen
Zahlungsanspruch weiter.
Der für das Versicherungsvertragsrecht
zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Beschluss vom
28. März 2012 (VersR 2012, 608) dem Gerichtshof der Europäischen Union
zur Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der
Zweiten Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des Art. 31
Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung dahin auszulegen ist,
dass er einer Regelung wie in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F.
entgegensteht, nach der ein Rücktritts- oder Widerspruchsrecht
spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie
erlischt, selbst wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum
Rücktritt oder Widerspruch belehrt worden ist.
Der Gerichtshof
der Europäischen Union hat mit Urteil vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014,
225) die Vorlagefrage bejaht. Der IV. Zivilsenat hatte zu entscheiden,
welche Folgerungen sich aus diesem Urteil für den Streitfall und
vergleichbare Verfahren ergeben.
Bezüglich der
Schadensersatzforderung ist die Revision als unzulässig verworfen
worden, weil sie insoweit vom Berufungsgericht nicht zugelassen worden
ist.
Soweit der Kläger einen Bereicherungsanspruch gemäß § 812
Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB geltend macht, hat der Senat das
Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.
Der Kläger kann dem Grunde nach aus
ungerechtfertigter Bereicherung Rückzahlung der an die Beklagte
gezahlten Prämien verlangen, weil er diese rechtsgrundlos geleistet hat.
Der zwischen den Parteien abgeschlossene Rentenversicherungsvertrag ist
auf der Grundlage des § 5a VVG a. F. nicht wirksam zustande gekommen,
weil der Kläger rechtzeitig den Widerspruch erklärt hat. Soweit er sich
darauf beruft, das Policenmodell als solches sei europarechtswidrig,
konnte der Senat offenlassen, ob sich ein Versicherungsnehmer, der
ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden ist und die
Versicherungsbedingungen sowie eine Verbraucherinformation erhalten hat,
darauf nach Durchführung des Vertrages noch berufen könnte. Jedenfalls
wurde die 14-tägige Widerspruchsfrist gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F.
gegenüber dem Kläger nicht in Lauf gesetzt, da er nach den für das
Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts mit
Übersendung des Versicherungsscheins nicht in drucktechnisch deutlicher
Form i. S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. über sein Widerspruchsrecht
belehrt wurde.
Nachdem der Kläger die erste von ihm geschuldete
Prämie im Dezember 1998 gezahlt hatte, wäre gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG
a. F. sein Recht zum Widerspruch längst erloschen gewesen, als er
diesen im März 2008 erklärte. Indes bestand sein Widerspruchsrecht nach
Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung
fort. Das ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 5a
Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des
Gerichtshofs der Europäischen Union. Die Vorschrift weist eine verdeckte
Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des
Gesetzes auf. Sie steht in Widerspruch zu dem mit dem Gesetz verfolgten
Grundanliegen, die Dritte Richtlinie Lebensversicherung ordnungsgemäß in
deutsches Recht umzusetzen. Die Regelung ist richtlinienkonform
dergestalt zu reduzieren, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und
der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für
davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie
Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein
Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht
ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerspruch belehrt worden ist
und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen
nicht erhalten hat. Hingegen ist § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. für alle
Versicherungsarten außerhalb des Bereichs der Richtlinien unverändert
anwendbar.
Der Höhe nach umfasst der Bereicherungsanspruch des
Klägers nicht uneingeschränkt alle Prämien, die er an die Beklagte
gezahlt hat, ohne hierzu durch einen wirksamen Versicherungsvertrag
verpflichtet gewesen zu sein. Im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlich
geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm darf bei
der Regelung der Rechtsfolgen des Widerspruchs nach nationalem Recht
ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen
den Beteiligten hergestellt werden. Der Versicherungsnehmer hat während
der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen. Erlangter
Versicherungsschutz ist ein Vermögensvorteil, dessen Wert zu ersetzen
sein kann. Dieser kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation
bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil
Bedeutung zukommen. Hierzu wird das Berufungsgericht noch Feststellungen
zu treffen haben.
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) |
BGH, Urteil IV ZR 76/11 vom 07.05.2014
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