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Steuer & Recht
Der Europäischer Gerichtshof (EuGH) (C-209/12) hat heute eine Rechtsfrage geklärt, die im Zusammenhang mit dem von 1994 bis 2007 für Versicherungsverträge geltenden Policenmodell steht. Das Gericht erklärte dabei eine seinerzeit geltende gesetzliche Frist (§ 5 Abs.2 S.4 VVG a.F.) für europarechtswidrig, nach deren Ablauf Versicherungsnehmer den Versicherungsvertrag nicht mehr widerrufen konnten. Die konkreten Auswirkungen des Luxemburger Richterspruchs für das deutsche Recht wird in einem nächsten Schritt der Bundesgerichtshof (BGH) beurteilen.
Bei dem als „Policenmodell" bezeichneten Vertragsschlussmodell erhielt der Versicherungsnehmer die Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen zusammen mit der Police. Der Versicherungsvertrag kam zustande, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb der Widerspruchsfrist (bei Lebensversicherungen seit Ende 2004: 30 Tage), die ab Überlassung der Unterlagen begann, widersprach. Auf die Frage, ob die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen übersandt oder der Kunde ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht informiert worden war, kam es nach damaliger Rechtslage dann nicht mehr an, wenn ein Jahr seit Zahlung der ersten Prämie vergangen war. Dann erlosch das Widerspruchsrecht in jedem Fall.
Mit dieser Ausschlussfrist wollte der deutsche Gesetzgeber sicherstellen, dass nach Ablauf der Frist Rechtssicherheit für die Parteien des Versicherungsvertrags eintritt. Dies ist gerade für die typischerweise langfristigen Lebensversicherungsverträge von erheblicher Bedeutung. 2008 wurde das Policenmodell abgeschafft. Seitdem hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer vor dessen Vertragserklärung die Versicherungsbedingungen sowie weitere vertragsbezogene Informationen in Textform mitzuteilen.
Laut EuGH verstößt die früher geltende Ausschlussfrist gegen europäisches Recht (Art. 15 Abs.1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung i.Verb. mit Art.31 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung): Wenn ein Verbraucher im konkreten Fall nachweislich nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei, er es also nicht kenne, müsse er dieses auch unabhängig von einer zeitlichen Befristung später noch ausüben dürfen. Der Verbraucher, so das Gericht, sei insofern schutzbedürftig.
Wie geht es jetzt weiter?
Mit den Auswirkungen der heutigen EuGH-Entscheidung auf das deutsche Recht wird sich nun der Bundesgerichtshof (BGH), bei dem der konkrete Rechtsstreit anhängig ist, befassen. Das EuGH-Urteil betrifft nicht automatisch alle nach dem „Policenmodell" abgeschlossenen Versicherungsverträge, sondern allenfalls nur solche Fälle, bei denen der Kunde nicht die Verbraucherinformation oder die Widerspruchsbelehrung erhalten hatte. Der GDV geht davon aus, dass Lebensversicherungskunden auch in der Zeit von 1994 bis 2007 die vorgeschriebenen Vertragsunterlagen regelmäßig vollständig erhalten haben und sie auch ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt wurden. (GDV)
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