Für Sie gelesen
Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Steuer & Recht
Die beschuldigte Apothekerin hatte im Zeitraum ab November 2010 Zeitungsannoncen und Flyer im Einzugsbereich ihrer Apotheke geschaltet bzw. in Haushalten verteilen lassen, die folgenden Inhalt aufwiesen:
Für die Einlösung eines Rezeptes bekommen Sie pro verschreibungspflichtigem Arzneimittel einen 1,00 Euro Einkaufsgutschein geschenkt - sofort einlösbar! Pro Rezept erhalten Sie für maximal drei Arzneimittel einen Einkaufsgutschein. Einkaufsgutscheine können nur beim Kauf von nicht-rezeptpflichtigen Artikeln eingelöst werden. Eine Barauszahlung des Gutscheinbetrags und eine Auszahlung von Restbeträgen ist nicht möglich."
Die Landesapothekerkammer Hessen ist der Auffassung, dass diese Auslobung eine Vergünstigung für Kunden der Apotheke darstelle, die der Umgehung der strikten Preisbindung für apotheken- bzw. verschreibungspflichtige Arzneimittel nach dem Arzneimittelgesetz (§ 78) und der Arzneimittelpreisverordnung (§ 3) dienen soll.
Die Beschuldigte meint dem gegenüber, sie habe ihre Apotheke, eine Zweigstelle ihrer Hauptapotheke, damals neu eröffnet und Werbemaßnahmen zur Kundenbindung müssten ihr zur Erreichung eines auskömmlichen Betriebsergebnisses rechtlich möglich sein. Ein Preiswettbewerb unter Apothekern sei im Hinblick auf die im Grundgesetz verankerte Freiheit der Berufsausübung zuzulassen. Ob dies zur Gefährdung der von der Kammer gewünschten Sicherung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Apotheken führe, sei zweifelhaft.
Die vorliegende Rechtsfrage stellt sich bundesweit nach zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs auf der Grundlage des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), der in § 3 Abs. 1 unlautere geschäftliche Handlungen (nur dann) für unzulässig erklärt, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern "spürbar" zu beeinträchtigen. Es wird teilweise die Auffassung vertreten, im Hinblick auf das Postulat der "Einheit der Rechtsordnung" oder den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müsse diese "Spürbarkeitsschwelle" auch im öffentlichen Recht (z. B. Untersagungsverfügungen) oder im disziplinarähnlichen Berufsrecht (wie vorliegend) zur Anwendung gelangen. Bei der Auslobung von 1 Euro pro Medikament (sowie der Begrenzung auf 3 Euro pro Rezept) sei diese Geringfügigkeitsschwelle nicht überschritten.
Das entscheidende hessische Berufsgericht folgt dieser Auffassung - jedenfalls für die Rechtslage in Hessen - nicht. Daher wurde der Beschuldigten unter Erteilung eines Verweises eine Geldbuße von 750 Euro auferlegt.
Die Urteilsgründe wurden in der Hauptverhandlung mündlich dargelegt. Nach Zustellung der schriftlichen Urteilsbegründung ist die Berufung an das Landesberufsgericht bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel möglich.
VG Gießen, Urteil 21 K 1887/11 vom 29.04.2013
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