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SICHERHEIT | Medienspiegel & Presse |
Der Vorschlag, Krankschreibungen stundenweise zu ermöglichen, löst heftige Diskussionen aus. Während der Ärzteverband Flexibilität fördern will, sehen Gewerkschaften und Apotheken ein erhöhtes Gesundheitsrisiko für Beschäftigte und warnen vor wachsendem Druck zur Anwesenheit trotz Krankheit. Ein Modell zwischen Flexibilität und Verantwortung – doch zu welchem Preis?
Der jüngste Vorschlag des Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Krankschreibungen künftig auch stundenweise auszustellen, entfacht eine kontroverse Debatte über Flexibilität und Gesundheitsverantwortung in der Arbeitswelt. Das Konzept, das es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglichen soll, trotz gesundheitlicher Einschränkungen teilweise zu arbeiten, stößt bei Gewerkschaften und vielen Beschäftigten auf massive Kritik. Besonders der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) reagiert mit Unverständnis und Besorgnis. Die Gewerkschaft sieht darin einen Angriff auf die Rechte der Beschäftigten und warnt, dass der Vorschlag die Gesundheit und das Wohl der Mitarbeitenden gefährden könnte.
Laut dem DGB würde eine stundenweise Krankschreibung den sozialen Druck auf Beschäftigte erhöhen, sich trotz Beschwerden zur Arbeit zu melden. „Wer krank ist, muss sich vollständig erholen dürfen, statt für ein paar Stunden auf die Arbeit zu kommen“, kritisierte ein Sprecher des Gewerkschaftsbunds. Insbesondere Berufe, die intensive Kundenkontakte und ein hohes Maß an Konzentration erfordern, könnten von dieser Regelung betroffen sein. Apotheker und Apothekenangestellte beispielsweise, die täglich im direkten Austausch mit Patienten stehen und sorgfältig arbeiten müssen, könnten durch das Modell stundenweiser Krankschreibung gesundheitlich belastet werden und im schlimmsten Fall unzureichend erholte Mitarbeitende im Dienst haben.
Apothekenbetreiber und Unternehmen allgemein stünden zudem vor der Herausforderung, kurzfristig Personal einzuplanen, wenn kranke Mitarbeitende sich für einzelne Stunden oder bestimmte Schichten krankmelden. Die Forderung nach mehr Flexibilität in der Arbeitswelt ist grundsätzlich verständlich, könnte in diesem Kontext jedoch zu einer unverhältnismäßigen Belastung der Organisation und Planung führen. Auch die Gefahr einer stärkeren Ausbreitung von Infektionen innerhalb von Teams wird von kritischen Stimmen hervorgehoben, da Mitarbeitende möglicherweise nur unvollständig genesen zur Arbeit erscheinen könnten.
Einige Arbeitsmediziner weisen darauf hin, dass eine klare Abgrenzung zwischen „arbeitsfähig“ und „krank“ essenziell für den Schutz der Gesundheit aller Mitarbeitenden sei. Der Genesungsprozess dürfe nicht durch eine schrittweise Rückkehr in den Arbeitsalltag unterbrochen werden, da dies langfristige gesundheitliche Schäden nach sich ziehen könnte. Vielmehr sei es notwendig, langfristig tragfähige und gesundheitsschonende Modelle zu entwickeln, die sowohl die Flexibilität im Betrieb als auch den Schutz von Mitarbeitenden berücksichtigen.
Die Idee, Krankmeldungen in Stunden statt in Tagen auszustellen, ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite mag sie den Wunsch nach Flexibilität bedienen; auf der anderen Seite setzt sie das Vertrauen in die ärztliche Empfehlung aufs Spiel und könnte die Tür zu unnötigem Druck auf kranke Mitarbeitende öffnen. Gesundheit ist nicht teilbar, und gerade für sensible Berufsgruppen wie Apothekenangestellte ist die Idee einer stundenweisen Krankschreibung kaum praktikabel. Der soziale Druck, sich trotz Beschwerden einzubringen, könnte steigen und die Grenze zwischen Krankheit und Arbeitsfähigkeit verwischen – ein gefährlicher Trend in einer ohnehin belastenden Arbeitswelt.
Für Apotheken wäre eine solche Regelung logistisch schwierig und gesundheitlich riskant, da kurzfristige Krankmeldungen die Planung erschweren und das Ansteckungsrisiko erhöhen könnten. Um sinnvolle Lösungen zu finden, sollte die Diskussion um Flexibilität die Bedeutung von Erholung und Heilung nicht untergraben. Ein geregelter Genesungsprozess ist nicht nur im Interesse der Betroffenen, sondern auch der Betriebe selbst.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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