• 20.07.2012 – Pflegereform: Massive Kritik von Gewerkschaften und Sozialverbänden

    GESUNDHEIT – Steuer & Recht Der Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) dringt auf Änderungen bei der geplanten staatlichen Förderung einer Pflegezusatzvorsorge. Grun ...

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Pflegereform: Massive Kritik von Gewerkschaften und Sozialverbänden

 

Der Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) dringt auf Änderungen bei der geplanten staatlichen Förderung einer Pflegezusatzvorsorge. Grundsätzlich begrüßte PKV-Verbandsdirektor Volker Leienbach den „Pflege-Bahr" in der heutigen Anhörung des Gesundheitsausschusses allerdings als „Schritt in die richtige Richtung". Dagegen lehnten Gewerkschaften, Sozialverbände und Verbraucherschützer die Pläne der Koalition zur Änderung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs.: 17/9369) „zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung" (PNG) strikt ab. Die Pflege-Reform steht am Freitag zur Abstimmung auf der Tagesordnung des Bundestages. Sie soll Anfang 2013 in Kraft treten.

Leienbach forderte in der Anhörung die Einführung eines „Pflegepools", um die finanziellen Risiken auszugleichen, die Versicherungsunternehmen mit dem Angebot geförderter Pflegezusatzversicherungen haben könnten. Hintergrund ist, dass nach dem Willen der Koalitionsfraktionen Versicherungsunternehmen beim „Pflege-Bahr" keinen Antragsteller aufgrund gesundheitlicher Risiken ablehnen dürfen (so genannter Kontrahierungszwang). Leienbach zeigte sich überzeugt davon, dass mit einem „Pflegepool" für „Hochrisikofälle" möglichst viele Unternehmen dazu bewegt werden könnten, Angebote zur geförderten Pflegezusatzvorsorge zu machen.

Zugleich nannte Leienbach den vorgesehenen jährlichen Förderbetrag in Höhe von 60 Euro als „Minimum dafür, dass die Versicherung überhaupt angeboten werden kann". Er sei gerade ausreichend, um den geförderten Tarif auch für solche Personen attraktiv erscheinen zu lassen, die gesund und deshalb für den Abschluss aufgrund des Kontrahierungszwangs nicht angewiesen sind", heißt es dazu in der PKV-Stellungnahme. Leienbach sagte, eine künftige Dynamisierung der Zulage sei „unbedingt notwendig". Das Vorstandsmitglied der Deutschen Aktuarvereinigung, Heinz-Werner Richter, sagte in der Anhörung, die Rahmenbedingungen seien so ausgestaltet, dass die Versicherungswirtschaft „attraktive Produkte" zur geförderten Pflegezusatzvorsorge werde anbieten können.

Der „Pflege-Bahr" sieht vor, vom kommenden Jahr an Anreize für mehr Eigenvorsorge zu geben, da die soziale Pflegeversicherung lediglich einen Teilkaskoschutz bietet. Wer privat für den Pflegefall mit einer Pflegetagegeldversicherung vorsorgt, soll nach dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen vom Bund eine Zulage von fünf Euro pro Monat erhalten. Es müssen zehn Euro im Monat als Mindestbetrag eingesetzt werden. Zudem muss der Versicherungsvertrag vorsehen, dass im Pflegefall in der höchsten Pflegestufe III mindestens 600 Euro pro Monat ausgezahlt werden. Männer und Frauen sollen dieselben Versicherungsbedingungen erhalten (Unisex-Tarife).

Marco Frank vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) bemängelte, mit dem „Pflege-Bahr" werde das „Solidarsystem mit den Füßen getreten". Insbesondere Geringverdiener würden mit einer Förderung von fünf Euro pro Monat „nicht in die Lage versetzt, sich eine private Pflegevorsorge zu leisten". Der Vorstand des Spitzenverbandes Bund der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), Gernot Kiefer, bemängelte, das Vorhaben der Koalition nehme auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Menschen „überhaupt keine Rücksicht". Zudem sei zu erwarten, dass relativ wenige Menschen die neuen Versicherungspolicen attraktiv finden werden. Für die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) fügte Herbert Weisbrod-Frey hinzu, „nur wenige werden sich das leisten können".

Der Bund der Versicherten (BdV) äußerte in der Anhörung die Befürchtung, „dass die durch das Zulagensystem entstehenden zusätzlichen Verwaltungskosten die Zulagen vollständig" verbraucht würden. Auch der von der PKV angeregte „Pflegepool" koste zusätzlich Geld, das in die Tarife eingerechnet werden müsse.

SPD legt Konzept zur Pflegereform vor

Die SPD-Fraktion geht mit eigenen Vorschlägen in die abschließende Beratung der schwarz-gelben Pflegereform. In einem Antrag (BT-Drs.: 17/9977 - abrufbar unter www.bundestag.de) fordern die Abgeordneten eine Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffs, nach der sich „niemand schlechter, aber viele besser stellen". Nach dem Willen der Sozialdemokraten soll der Anspruch pflegebedürftiger Menschen im Ersten Sozialgesetzbuch verankert werden.

Bürgerversicherung mit Wahloption

Weiterer Kernpunkt der Reform soll laut SPD-Antrag die Einführung einer Bürgerversicherung Pflege sein. Innerhalb dieser solle ein „gemeinsamer Ausgleichsmechanismus eingeführt werden, an dem alle privaten und gesetzlichen Pflegekassen teilnehmen". Im Sinne des Vertrauensschutzes sollen bisher Privatversicherte eine Wahloption erhalten. Danach könnten diese unabhängig von Alter und Gesundheitszustand innerhalb eines Jahres entscheiden, ob sie in die Bürgerversicherung wechseln oder in ihren bestehenden Verträgen verbleiben wollen.

Verbesserter Leistungsanspruch und verbesserte Bezahlung

Dem Antrag zufolge soll ferner die wohnortnahe und trägerunabhängige Pflegeberatung ausgebaut werden. Für die Verbesserung des Wohnumfeldes zur Ermöglichung oder Erleichterung einer häuslichen Pflege soll es laut SPD mehr Geld geben: Der Leistungsanspruch soll von derzeit 2.557 Euro auf bis zu 5.000 Euro steigen. Um pflegenden Angehörigen eine Auszeit zu ermöglichen, will die Fraktion zudem den Anspruch auf Kurzzeit- und Verhinderungspflege von derzeit 1.510 auf 3.020 Euro für acht Wochen pro Jahr verdoppeln.

Darüber hinaus streben die Abgeordneten eine angemessene und faire Bezahlung von Pflegefachkräften an. „Arbeitgeber, die das tun, müssen vor unfairer Konkurrenz durch Billigpflege mit Dumpinglöhnen geschützt werden", heißt es im Antrag. Die SPD will auch die Ausbildung reformieren. Notwendig sei „eine generalistische Erstausbildung von Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege mit einer daran anschließenden weiterführenden Spezialisierung", schreibt die Fraktion. Weiter heißt es, in der Pflege müsse ein Berufsaufstieg ermöglicht werden. (ac)

 

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