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hier ist der vollständige Text für Sie:
PORTRÄT
Berlin - Dass mit Großabnehmern schwer zu verhandeln ist, weiß jeder Kaufmann. Dass man sich regelrecht die Zähne ausbeißt, wenn der Kunde noch dazu mit Versichertengeldern bezahlt, haben die Apotheker in den vergangenen Jahren schmerzlich lernen müssen. Sechs Jahre Kassenabschlag stehen für Unsicherheit, Rechtfertigungsdruck und permanentes Sonderopfer.
Dauerbrenner Abschlag: Für die Apotheken ist der Kassenrabatt eine unsichere Angelegenheit. Foto: Elke Hinkelbein
Der neue Kassenabschlag wurde mit der Umstellung des Apothekenhonorars
auf Pauschale plus Aufschlag zum 1. Januar 2004 eingeführt. 2 Euro
sollten die Apotheker pro abgegebener Packung als Großkundenrabatt
gewähren, davor hatten sie bis zu 10 Prozent ihrer Marge nachlassen
müssen. Erstmals für das Kalenderjahr 2005 sollten Apotheker und Kassen
über den Abschlag verhandeln, mit der Maßgabe, dass „die Summe der
Vergütungen der Apotheken für die Abgabe verschreibungspflichtiger
Arzneimittel leistungsgerecht ist unter Berücksichtigung von Art und
Umfang der Leistungen und der Kosten der Apotheken bei wirtschaftlicher
Betriebsführung". So stand es im GKV-Modernisierungsgesetz (GMG).
Doch eine Klausel im Gesetz machte die Gespräche zwischen Deutschem
Apothekerverband (DAV) und dem damals für die Kassen federführenden
BKK-Bundesverband zum Politikum: Bei den Verhandlungen zum
Apothekenhonorar sollten Veränderungen bei der Packungszahl
berücksichtigt werden. Heißt: Weniger Packungen, weniger Honorar,
weniger Abschlag. Die Apotheker gingen mit einer Nachforderung über 350
Millionen Euro in die Verhandlungen.
Dass davon am Ende kaum etwas übrig blieb, lag an der
Öffentlichkeitsarbeit der Kassen und der Intervention von
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). KKH-Chef Ingo Kailuweit
schaltete die Bild-Zeitung ein, das ARD-Morgenmagazin gab eine Umfrage
zu den Forderungen der Apotheker in Auftrag. Im Mai 2005, zwei Tage vor
der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, präsentierte Schmidt den
Kompromiss: Der Kassenabschlag wurde für die zweite Jahreshälfte
vorübergehend auf 1,85 Euro abgesenkt und anschließend erneut für zwei
Jahre auf 2 Euro festgeschrieben. Von den 350 Millionen Euro blieb ein
Zehntel.
Von Verhandlungen wollte Schmidt danach nichts mehr wissen: Ab 2009
sollte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) den Abschlag für die
Apotheken festlegen. Wieder kam es anders: Mit dem
GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) hob die Große Koalition den
Abschlag zum 1. April 2007 auf 2,30 Euro an; ab 2009 sollte verhandelt
werden.
Das hinderte Staatssekretär Dr. Klaus-Theo Schröder freilich nicht, vor
Beginn der Gespräche die Verhandlungspartner noch einmal daran zu
erinnern, dass der Mehraufwand durch die Rabattverträge nicht Gegenstand
der Verhandlungen sein dürfe. Ende 2008 setzten sich Vertreter des DAV
und des neu gegründeten GKV-Spitzenverbands schließlich an einen Tisch;
1,70 Euro war die erste Zahl, die an die Öffentlichkeit drang. Doch nach
mehreren Runden gab es Mitte 2009 immer noch keine Einigung. Im
September leitete der DAV schließlich das Schiedsverfahren ein.
Im Dezember 2009 setzte die Schiedsstelle den Abschlag auf 1,75 Euro
fest; noch kurz zuvor hatte sich das BMG - unter der neuen Führung von
Dr. Philipp Rösler (FDP) - erneut eingeschaltet und die
Berechnungsgrundlage moniert. Im Januar 2010, das Ergebnis hatte längst
rückwirkenden Charakter, legten die Kassen Widerspruch gegen die
Entscheidung der Schiedsstelle ein. Nach einem Beschluss des
Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg mussten die Kassen den Abschlag
im Mai unter Vorbehalt zurück zahlen; die Klage läuft im
Hauptsacheverfahren weiter.
Doch anstatt über den Abschlag für das laufende Jahr zu verhandeln,
sorgten die Kassen mit unterschiedlichen Auslegungen für Verwirrung. In
den Gesetzgebungsverfahren zu Röslers Sparpaketen machten sie politisch
für eine Anhebung mobil - und fanden Gehör: Weil die Apotheken nicht
über den Großhandel belastet werden wollten, schrieb die schwarz-gelbe
Koalition den Abschlag schließlich ins
Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG): 2,05 Euro für 2011 und
2012, danach wird wieder verhandelt. Dann müssen sich die Apotheken
allerdings komplett ausziehen und ihre Leistungen und Betriebsergebnisse
offen legen.
Patrick Hollstein, Mittwoch, 19. Januar 2011, 11:03 Uhr
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