Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Essen - Irrtümer, Legenden und Lebenslügen des Gesundheitswesens bilden oft genug die Grundlagen für Entscheidungen der Gesundheitspolitik in Deutschland.
Die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland räumt im
Leitartikel der Aprilausgabe ausführlich mit einigen dieser schwer
auszurottenden Irrtümer auf und fordert Bundesgesundheitsminister Dr.
Philipp Rösler auf, sie - mit einer sinnvollen Reformpolitik - jetzt ein
für alle mal aus dem Weg räumen. In Rösler setzen die Beteiligten im
Gesundheitswesen große Hoffnungen: Nach vielen Jahren Reformchaos unter
Ulla Schmidt kann es schließlich nur besser werden. Doch Skepsis bleibt.
Die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland erscheint mit
einer Auflage von 1 Million Exemplaren deutschlandweit in Apotheken und
ist für Verbraucher kostenlos erhältlich.
Die Lebenslügen der Gesundheitspolitik sind langlebig
SCHLUSS MIT DEN IRRTÜMERN UND LEGENDEN
„Wir sind ja nicht zum Spaß hier". FDP-Gesundheitsminister Dr. Philipp
Rösler gab diesen bedeutungsschweren Satz in einem Gespräch mit der
Wochenzeitung „Die Zeit" zum Besten. Das war im November 2009. Rösler
war erst wenige Wochen im Amt. Man erwartete frischen Wind in der
Gesundheitspolitik, neue Ideen zur Finanzierung des Gesundheitswesens
und mehr Verständnis für die Probleme der Patienten. Denn Rösler ist
Arzt. Doch er wusste damals schon: „Wer versucht, bei seinem Handeln nur
auf die öffentliche Meinung zu schielen, wird die traurige Erfahrung
machen, dass der Wähler schneller ist als er selbst".
Rösler hat in den ersten Monaten seiner Amtszeit nun wirklich nicht auf
die öffentliche Meinung geschielt. Und dennoch hat seine Partei die
traurige Erfahrung machen müssen, dass der Wähler auch so schneller war,
als der FDP lieb sein konnte: Er hat ihr blitzartig den Rücken gekehrt.
Gründe dafür gab es einige, und die Gesundheitspolitik war daran nicht
unbeteiligt. Dabei hat Rösler bis heute nicht gehandelt, nur den
Beteiligten am und im Gesundheitswesen zugehört - leider nicht allen.
Inzwischen haben die ersten großen Krankenkassen den gesetzlich
erlaubten Zusatzbeitrag erhoben. Das mussten sie, weil der
Gesundheitsfonds, aus dem die Kassen ihre Zuwendungen erhalten,
dramatisch unterfinanziert ist. Das ist zwar die Schuld von
Ex-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und der ehemaligen
Koalitionsregierung, doch hat man dem neuen Gesundheitsminister wohl
zugetraut, das Abkassieren der Versicherten durch die Kassen zumindest
aufzuschieben. Nun hört man von ersten Plänen, wie Rösler sich seine
Reform des Gesundheitswesens vorstellt.
Ob der Wähler daraufhin zurückkommt, bleibt abzuwarten. Denn bisher ist
nicht zu erkennen, was an den bekanntgewordenen Maßnahmen neu oder
besser für den Patienten wäre. Und dass der - wenn auch zögerliche -
Einstieg in die „Kopfpauschale", die alle Kassen ab 2011 zusätzlich von
jedem Versicherten eintreiben sollen und die niemand außer der FDP
ernsthaft will, den Wähler milder stimmt, ist auch zweifelhaft.
Aber noch sind die Konturen einer neuen Reformpolitik nur in Umrissen
sichtbar. Röslers Pläne werden Patienten, Versicherte und die
Leistungsträger im Gesundheitswesen dann nicht enttäuschen, wenn es ihm
gelingt, den Umgang mit den „üblichen Verdächtigen", die Akzeptanz der
gleichen Irrtümer, Legenden und Lebenslügen in der Gesundheitspolitik,
die auch Richtschnur des Handelns seiner Vorgänger war, zu vermeiden.
Es gibt in Deutschland zu viele Apotheken? Legende!
4 Millionen (!) Menschen suchen jeden Tag in Deutschland eine Apotheke
auf, weil sie ein Medikament benötigen - entweder für sich selbst oder
für einen Angehörigen. Rund um die Uhr sind die deutschen Apotheken für
die Kranken im Lande da. In wie vielen Apotheken suchen nachts die
Eltern kranker Kinder Rat und Hilfe!
Apotheken haben einen eminent wichtigen gesellschaftlichen und
gesundheitspolitischen Auftrag. Sie sind erste Anlaufstelle für alle
leichter Erkrankten und Ort ständiger Beratung und Begleitung für
Millionen schwerer erkrankter Menschen. Die psychosoziale Funktion,
Kompetenz und Bedeutung der Apotheken stehen außer Zweifel. Die
Patienten beraten dürfen laut Recht und Gesetz nur Apotheker und
pharmazeutisch ausgebildete Fachkräfte. Die Erreichbarkeit der Apotheken
in Notlagen, die hohe Qualität der Beratung und die
Arzneimittelsicherheit sind tief im Bewusstsein der Menschen verankert.
In Umfragen nehmen deshalb die Apotheken im Vertrauen der Bevölkerung
regelmäßig einen der Spitzenplätze ein.
Immer wieder versuchen interessierte Kreise, das Märchen von den zu
vielen Apotheken lebendig zu erhalten - zuletzt die Vorstandsvorsitzende
des GKV-Spitzenverbandes Dr. Doris Pfeiffer in einem Gespräch mit der
„Rheinischen Post". Sie erliegt - wie viele Gesundheitspolitiker und
„Experten" auch - dem Irrtum, weniger Apotheken bedeuteten weniger
Kosten. Wenn das stimmen würde, müssten die Verwaltungskosten in den
Krankenkassen gewaltig gesunken sein, denn durch von der Politik
gewollte Fusionen sind von mehr als 1200 Kassen (1991) im November 2009
gerade einmal 184 übriggeblieben. Sind deshalb die Verwaltungskosten
gesunken? Im Gegenteil - sie sind so hoch wie nie zuvor.
Die „Vertriebskosten" für Arzneimittel sind zu hoch? Irrtum!
Das Märchen von den „Apothekenpreisen" hält sich hartnäckig. Aber es ist
falsch. Apotheke und Großhandel erhalten vom Arzneimittelpreis nur
einen ganz geringen Anteil. Mehr als 65 % vom Arzneimittelpreis bekommen
die Hersteller. Dafür forschen, produzieren und vermarkten sie das
Arzneimittel. Der Staat kassiert den vollen Mehrwertsteuersatz auf die
Arzneimittel. Das sind satte 19 %. Und zu allem Überfluss kassieren die
Krankenkassen für jedes Medikament von den Apotheken noch einen
Zwangsrabatt - genauso wie der Staat ohne irgendeine Gegenleistung.
Zusammen kommen die drei auf knapp 86 %!
Zur Deckung der eigentlichen Vertriebskosten bleiben demnach gerade
einmal 14 % vom Arzneimittelpreis übrig. Dafür müssen 80 Millionen
Menschen an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr mit über 150 000
verschiedenen Medikamenten versorgt werden. Diese Leistung vollbringen
21 500 Apotheken und 15 vollversorgende Pharmazeutische Großhandlungen
mit über 100 Niederlassungen in ganz Deutschland. Und sie machen es
perfekt - jedenfalls sehen es die Verbraucher so.
Deshalb verbietet sich jede weitere Kürzung der Handelsspannen. Sie ist
nicht zu verantworten, will man die schnelle und umfassende Versorgung
der Patienten nicht gefährden. Doch in den Plänen des
Gesundheitsministers sieht es gefährlich danach aus.
„Pick-up-Stellen" dienen dem Verbraucher? Irrtum!
In ihrem Bemühen, das hervorragend funktionierende Distributionssystem
für Arzneimittel in Deutschland zu zerstören, hat
Ex-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt vor der Zulassung des
Versandhandels nicht zurückgeschreckt. Seitdem haben die Probleme mit
Arzneimittelfälschungen bei Bestellungen über das Internet dramatisch
zugenommen. Und im Schlepptau des Versandhandels entstanden
„Sumpfblüten", wie die „Pick-up-Stellen" in Blumenläden, Tankstellen und
Drogeriemärkten. Dort können Verbraucher die bei Versandhändlern im
Ausland bestellte Arzneimittel abholen; ohne Kontrolle durch einen
Apotheker oder eine pharmazeutische Fachkraft, ohne Beratung und ohne
die strenge staatliche Aufsicht durch den Amtsapotheker.
Juristisch waren diese „Pick-up-Stellen" nicht zu verhindern. Erreicht
wurde lediglich, dass sie sich nicht zu „Schmalspur-Apotheken", zu
„Primitiv-Apotheken zweiter Klasse" entwickeln durften.
„Pick-up-Stellen" sind schlichtweg überflüssig. Gesundheitsminister
Rösler sollte sie per Gesetz verbieten. Die Arzneimittelsicherheit
verlangt es.
Die Mehrwertsteuer kann nicht gesenktwerden? Legende!
Knapp 5 Milliarden Euro an Mehrwertsteuer auf Arzneimittel entzieht der
Staat Jahr für Jahr dem Gesundheitssystem. Das ist einmalig in Europa.
Die meisten Staaten haben die Medikamente von der Mehrwertsteuer befreit
oder berechnen einen niedrigen Steuersatz. Nicht so Deutschland.
Deshalb fordern Krankenkassen, Verbände, Gewerkschaften und
Patientenvereinigungen unisono eine Absenkung der Mehrwertsteuer. Selbst
die FDP hat dies immer gefordert. Aber da war sie noch nicht in der
Regierung.
Dass die Steuer auf Arzneimittel innerhalb von Monaten gesenkt oder
abgeschafft werden kann, hat die FDP soeben bewiesen. Um die
Hotelbranche von 1 Mrd. Euro Mehrwertsteuer zu befreien, brauchte sie,
zusammen mit der CDU/CSU, nur drei Monate. Es geht also, wenn man will.
Aber man will nicht.
UNVERANTWORTLICH
Ein Kommentar der Redaktion
Wir sind mitten in einer Wirtschaftskrise. Die Exportwirtschaft lahmt,
die deutschen Unternehmen erholen sich nur langsam. Die Zeitungen sind
voll davon. Wie schaffen wir neue Arbeitsplätze? Wie verringern wir die
Zahl der Hartz-IV-Empfänger? Wie beseitigen wir die
Jugendarbeitslosigkeit? Wie gut, dass es da einen Bereich gibt, der
Arbeitsplätze schafft: das Gesundheitswesen. Eine halbe Million
Arbeitsplätze waren es in den letzten 10 Jahren. Dieser Jobmotor muss
doch kaputtzukriegen sein. Zu viele Krankenhäuser, zu viele Arztpraxen,
zu viele Apotheken. Sagen die Krankenkassen. Unverantwortliches Gerede.
Karikatur zum Download auf www.neue-allgemeine.de
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