• 28.11.2024 – Apotheken-News: Apotheken zwischen Innovation, Verantwortung und wachsenden Risiken

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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-News: Apotheken zwischen Innovation, Verantwortung und wachsenden Risiken

 

Digitale Hürden, nachhaltige Lösungen und neue Perspektiven für die Zukunft

Die deutsche Apothekenlandschaft steht vor tiefgreifenden Veränderungen und vielfältigen Herausforderungen: Von Retaxationen bei Ersatzverordnungen und Konflikten um Präventionsangebote bis hin zu neuen Notdienstsystemen und technischen Hürden wie grenzüberschreitenden E-Rezepten. Gleichzeitig rücken nachhaltige Ansätze in der Diabetes-Therapie und innovative Methoden wie therapeutisches Schreiben in den Fokus. Doch auch bauliche Mängel, wie am Zentrallaboratorium der Apotheker, und juristische Konflikte, wie im Fall des mutmaßlich missbräuchlichen Weiterverkaufs von Paxlovid, belasten die Branche. Während branchenspezifische Versicherungen zunehmend an Bedeutung gewinnen, bleibt die Frage: Wie können Apotheken ihre Zukunft sichern und gleichzeitig den steigenden Anforderungen gerecht werden?


Die Apothekenlandschaft in Deutschland sieht sich derzeit mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert, die die Branche in unterschiedlichsten Bereichen unter Druck setzen. Eine der akutesten Problematiken betrifft elektronische Ersatzverordnungen (E-Rezepte). Wie aus einem aktuellen Schreiben der ABDATA hervorgeht, drohen Apotheken empfindliche Retaxationen, wenn sie solche Verordnungen nachträglich als Ersatzverordnungen kennzeichnen. Diese Praxis, die bisher technisch möglich war, wird zunehmend von Krankenkassen beanstandet. Dies zeigt erneut, wie kompliziert und fehleranfällig die aktuellen Regelungen im Umgang mit digitalen Verschreibungen sind. Die daraus resultierenden finanziellen Risiken erhöhen den Druck auf Apotheken, die sich ohnehin in einer angespannten wirtschaftlichen Lage befinden.

Neben administrativen Herausforderungen treten auch Konflikte zwischen verschiedenen Berufsgruppen zutage. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) hat auf ihrer jüngsten Vertreterversammlung vehement gegen eine Ausweitung der Präventionsangebote in Apotheken argumentiert. Die KVB sieht darin eine Schwächung der hausärztlichen Versorgung und fordert eine stärkere Fokussierung auf die Primärprävention durch Ärzte. Diese Position steht im Gegensatz zu Forderungen von Politik und Apothekerverbänden, die Apotheken als niedrigschwellige Anlaufstellen für Gesundheitsvorsorge stärken wollen. Dieser Konflikt zeigt exemplarisch, wie wenig abgestimmt die verschiedenen Akteure des deutschen Gesundheitssystems oft agieren.

Organisatorische Veränderungen belasten die Apotheken ebenfalls. In Baden-Württemberg wird seit Oktober 2024 ein neues Notdienstsystem umgesetzt, das eine gerechtere Verteilung der Dienste und eine Entlastung stark belasteter Regionen zum Ziel hat. Erste Ergebnisse zeigen eine Reduzierung der Notdienste, doch die Umstellungsphase bringt erhebliche Herausforderungen mit sich. Insbesondere kleinere Apotheken könnten durch die organisatorischen Anforderungen und eine potenziell höhere Belastung ihrer Teams weiter unter Druck geraten.

Auch technologische Innovationen, die eigentlich der Modernisierung des Gesundheitssystems dienen sollen, entpuppen sich häufig als problematisch. So bleibt die Einlösung grenzüberschreitender E-Rezepte in deutschen Apotheken weiterhin ungeklärt. Besonders in Grenzregionen und bei der Versorgung von Reisenden innerhalb der EU bestehen erhebliche Unsicherheiten, die den Nutzen dieser digitalen Lösung einschränken. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie weit Anspruch und Realität im digitalen Gesundheitswesen auseinanderklaffen und wie wichtig eine einheitliche, europäische Strategie in diesem Bereich wäre.

In einem anderen Bereich rückt die Nachhaltigkeit in den Fokus. Die Behandlung von Diabetes, von der in Deutschland rund 8,9 Millionen Typ-2-Diabetiker und 370.000 Typ-1-Diabetiker betroffen sind, verursacht jährlich enorme Müllmengen und einen erheblichen CO₂-Ausstoß. Die Herausforderung besteht darin, die notwendige Patientenversorgung sicherzustellen, während gleichzeitig umweltschonendere Prozesse und Materialien eingesetzt werden. Es gibt bereits erste Ansätze, etwa durch den Einsatz recycelbarer Materialien bei medizinischem Verbrauchsmaterial, doch die Umsetzung bleibt in der Breite eine Herausforderung.

Neben strukturellen und technologischen Themen gewinnt die mentale Gesundheit zunehmend an Bedeutung. Therapeutisches Schreiben etabliert sich als niedrigschwellige Methode, um das emotionale Wohlbefinden zu fördern. Experten wie Dr. Adak Pirmorady von der Charité Berlin betonen die Wirksamkeit dieser Technik, die Menschen dabei hilft, belastende Gedanken zu ordnen und emotionale Blockaden zu lösen. Diese Methode zeigt, dass nicht immer kostenintensive Lösungen erforderlich sind, um Menschen in ihrer psychischen Gesundheit zu unterstützen.

Der Fokus auf Infrastrukturprobleme wird am Beispiel des Zentrallaboratoriums der Deutschen Apotheker deutlich. Das in den 1970er-Jahren errichtete Gebäude in Eschborn weist gravierende bauliche Mängel auf, die eine umfassende Sanierung erforderlich machen. Mit einer Investition von sechs Millionen Euro sollen unter anderem Risse an Fluchtbalkonen und in der Bausubstanz behoben werden. Dies zeigt, wie wichtig eine zukunftsorientierte Investitionspolitik ist, um die Arbeitsfähigkeit zentraler Institutionen langfristig zu sichern.

Nicht zuletzt sorgt auch ein juristischer Fall für Aufmerksamkeit. Vor dem Landgericht Berlin steht ein Apotheker wegen besonders schwerer Untreue und eines Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz vor Gericht. Der Vorwurf: Der widerrechtliche Weiterverkauf des COVID-19-Medikaments Paxlovid, das ursprünglich vom Bund für die Pandemiebekämpfung beschafft wurde. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die rechtlichen und ethischen Herausforderungen, die sich aus der Sonderrolle der Apotheken in der Arzneimittelversorgung ergeben.

In diesem komplexen Spannungsfeld zeigt sich, dass Apothekenbetreiber mit einem wachsenden Risiko konfrontiert sind. Retaxationen, Cyberangriffe und rechtliche Fallstricke zählen zu den zentralen Gefahren, gegen die sich Apotheken zunehmend absichern müssen. Branchenspezifische Versicherungen, die auf die besonderen Bedürfnisse von Apotheken zugeschnitten sind, werden damit zu einem unverzichtbaren Instrument, um existenzielle Risiken zu minimieren.


Kommentar:

Die Herausforderungen, vor denen Apotheken in Deutschland stehen, sind beispiellos und vielschichtig. Der Umgang mit elektronischen Verschreibungen, wie den Ersatzverordnungen, offenbart einmal mehr die überbordende Bürokratie und den Mangel an praxistauglichen Regelungen. Diese strukturellen Defizite führen nicht nur zu finanziellen Risiken für die Apotheken, sondern belasten auch das Vertrauen der Apotheker in die Digitalisierung. Hier ist die Politik gefordert, klare und praktikable Vorgaben zu schaffen, die den Alltag der Apotheken entlasten.

Besonders alarmierend ist jedoch die Uneinigkeit zwischen Ärzten und Apothekern. Der Konflikt um Präventionsangebote zeigt deutlich, wie wenig kooperativ das Gesundheitssystem mitunter funktioniert. Anstatt in ideologischen Grabenkämpfen zu verharren, sollten beide Berufsgruppen stärker zusammenarbeiten, um den Patienten eine möglichst ganzheitliche Versorgung zu bieten. Hier wäre auch die Politik gefragt, als Vermittler aufzutreten und Lösungen zu erarbeiten, die alle Akteure mit einbeziehen.

Auch in technologischen und infrastrukturellen Fragen gibt es erheblichen Nachholbedarf. Das Problem grenzüberschreitender E-Rezepte oder die Sanierung des Zentrallaboratoriums verdeutlichen, wie wichtig langfristige Investitionen und eine koordinierte Strategie sind. Ohne solche Maßnahmen droht die Apothekenlandschaft in Deutschland den Anschluss an moderne Standards zu verlieren.

Schließlich dürfen die psychischen und gesellschaftlichen Aspekte nicht außer Acht gelassen werden. Initiativen wie das therapeutische Schreiben oder nachhaltige Ansätze in der Diabetes-Therapie zeigen, dass es innovative und zukunftsweisende Lösungen gibt. Diese müssen jedoch stärker gefördert und in die Breite getragen werden.

Insgesamt ist klar: Die Apothekenbranche steht an einem Scheideweg. Ohne umfassende Reformen und eine bessere Zusammenarbeit aller Akteure droht eine weitere Verschlechterung der Situation. Es ist höchste Zeit, dass Politik, Verbände und die Branche selbst entschlossen handeln, um die Apotheken nicht nur zu stabilisieren, sondern zukunftsfähig zu machen. Der Preis des Zögerns wäre letztlich das Vertrauen der Patienten in eine der tragenden Säulen des deutschen Gesundheitssystems.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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