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Steuer & Recht |
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem Beschluss vom 30. Juni 2023 (Az. V B 13/22) festgestellt, dass das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt ist, wenn während überwiegender Teile einer mündlichen Verhandlung nur der Vorsitzende Richter des Senats in einer Videokonferenz zu sehen ist. Dies hat der BFH in einem aktuellen Fall entschieden, der vor dem Finanzgericht Münster stattfand.
In dem betreffenden Verfahren wurde eine mündliche Verhandlung per Videokonferenz abgehalten, bei der lediglich eine einzige Kamera verwendet wurde. Während etwa zwei Drittel der Verhandlung war nur der Vorsitzende Richter des Senats sichtbar, während die anderen Richter, einschließlich des sprechenden Richters, nicht zu sehen waren.
Der Kläger legte nach einer erfolglosen Revisionseinlegung eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH ein und argumentierte, dass er aufgrund der fehlenden Sichtbarkeit der Richter sein Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt sah. Der BFH gab der Beschwerde statt und stellte fest, dass das Gericht in diesem Fall nicht vorschriftsmäßig besetzt war.
Der BFH betonte in seiner Entscheidung, dass bei mündlichen Verhandlungen per Videokonferenz sicherzustellen sei, dass alle Beteiligten erkennen können, ob die beteiligten Richter der Verhandlung in ihren wesentlichen Abschnitten folgen können. Dies erfordert, dass alle Richter sichtbar sind. Der BFH wertete dies als einen absoluten Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts gemäß § 119 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Sichtbarkeit der Richter in Videokonferenzen hat weitreichende rechtliche und praktische Implikationen. Sie betont die Bedeutung des Rechts auf den gesetzlichen Richter, der ein wesentlicher Grundsatz des rechtsstaatlichen Verfahrens ist.
Die Feststellung des BFH, dass die vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts in Videokonferenzen sichergestellt sein muss, hat Bedeutung über den konkreten Fall hinaus. Sie unterstreicht die Notwendigkeit einer genauen Umsetzung der Verfahrensvorschriften bei der Nutzung von Videokonferenztechnologie in Gerichtsverhandlungen. Dies wird in Zukunft in vielen Gerichtsbarkeiten von Belang sein.
Besonders bemerkenswert ist, dass der BFH in seiner Begründung auf einen Gesetzentwurf zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten hinweist, der erst im Mai 2023 veröffentlicht wurde. Dies zeigt, dass die Rechtsprechung die zukünftige Entwicklung bereits jetzt im Blick hat und entsprechende Maßstäbe anwendet.
Die Entscheidung des BFH betont auch, dass das Risiko der Nichtbeachtung der vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts nicht auf die Parteien abgewälzt werden darf und nicht abdingbar ist. Dies unterstreicht die Bedeutung der Gewährleistung rechtsstaatlicher Grundsätze, selbst in Zeiten der technologischen Veränderung.
Insgesamt ist diese Entscheidung wegweisend und wird sicherlich als Präzedenzfall für die Nutzung von Videokonferenztechnologie in Gerichtsverhandlungen dienen. Sie unterstreicht die Notwendigkeit, rechtsstaatliche Grundsätze auch in der digitalen Welt aufrechtzuerhalten und zu schützen.
Von Engin Günder
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