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Steuer & Recht |
Der vom Präsidium des Bundesgerichtshofs vorübergehend als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat (vgl. Pressemitteilung Nr. 141/2021 vom 22. Juli 2021) hat heute entschieden, dass ein Motorhersteller, der nicht zugleich Fahrzeughersteller ist, Käufern der vom sogenannten Dieselskandal betroffenen Fahrzeugen nur dann haftet, wenn er entweder selbst im Sinne der §§ 826, 31 BGB sittenwidrig vorsätzlich gehandelt hat oder wenn er dem Fahrzeughersteller nach § 823 Abs. 2, § 830 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV vorsätzlich Beihilfe zu dessen vorsätzlichem Inverkehrbringen eines Kraftfahrzeugs mit einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung geleistet hat.
Den inhaltlich nur geringfügig voneinander abweichenden Vorlagen fehlt es bereits an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit aller vorgelegter Strafnormen für das jeweilige Ausgangsverfahren. Im Übrigen genügen sie nicht den erhöhten Begründungsanforderungen, die an eine erneute Vorlage zu stellen sind. Es fehlt an einer substantiierten Darlegung rechtserheblicher Änderungen der Sach- und Rechtslage, welche geeignet sind, eine erneute verfassungsgerichtliche Prüfung der mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 1994 (BVerfGE 90, 145 ff.) entschiedenen Vorlagefragen zu veranlassen.
Sachverhalt:
Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes sind insbesondere die in Anlage I zu § 1 BtMG aufgeführten Stoffe und Zubereitungen. Anlage I führt unter anderem verschiedene Cannabisprodukte auf. Die §§ 29 ff. BtMG stellen bestimmte Formen des Umgangs mit Betäubungsmitteln, also auch mit Cannabisprodukten, unter Strafe.
Das Bundesverfassungsgericht stellte mit Beschluss vom 9. März 1994 (BVerfGE 90, 145 ff.) unter anderem fest, dass § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG, soweit er das Handeltreiben sowie die Einfuhr, die Abgabe und den Erwerb von Cannabisprodukten ohne Erlaubnis mit Strafe bedroht, und § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG, soweit er den Besitz von Cannabisprodukten mit Strafe bedroht, mit dem Grundgesetz vereinbar sind.
Die vorlegenden Amtsgerichte haben mehrere Strafverfahren, in denen es jeweils um strafbewehrte Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz durch den Umgang mit Cannabisprodukten ging, ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes, soweit sie Cannabisprodukte betreffen, zur verfassungsrechtlichen Prüfung vorgelegt. Die Gerichte machen insbesondere geltend, das strafbewehrte Cannabisverbot greife unverhältnismäßig in die durch Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte allgemeine Handlungsfreiheit, in das durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht und in die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG geschützte Freiheit der Person ein und verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 103 Abs. 2 GG.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Die Vorlagen sind unzulässig.
1. Soweit die Vorlagen des Amtsgerichts Bernau bei Berlin pauschal alle Normen des Betäubungsmittelgesetzes, soweit sie den Umgang mit Cannabisprodukten betreffen, zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung stellen, fehlt es bereits an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der Vorschriften. Dies gilt im Ergebnis auch für die Vorlagen des Amtsgerichts Pasewalk und des Amtsgerichts Münster. Die vorlegenden Gerichte beanstanden die grundsätzliche Einordnung von Cannabis als Betäubungsmittel, ohne einen Bezug zu den im jeweiligen Ausgangsverfahren anzuwendenden Strafnormen herzustellen. Eine konkrete Normenkontrolle ist jedoch kein Mittel der allgemeinen Aufsicht über den Gesetzgeber. Ihr Gegenstand können nur Vorschriften sein, deren Gültigkeit für die von dem vorlegenden Gericht zu treffende Entscheidung von Bedeutung ist. Dass dies alle Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes mit Bezug auf den Umgang mit Cannabisprodukten sind, ist nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich.
2. Im Übrigen genügen die Vorlagen nicht den erhöhten Begründungsanforderungen, die an eine erneute Vorlage zu stellen sind. Es fehlt an einer substantiierten Darlegung rechtserheblicher Änderungen der Sach- und Rechtslage, welche geeignet sind, eine erneute verfassungsgerichtliche Prüfung der mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 1994 entschiedenen Vorlagefragen zu veranlassen. Letztlich beschränken sich die Vorlagegerichte darauf, dem Rechtsstandpunkt des Bundesverfassungsgerichts eigene, davon abweichende rechtliche Bewertungen gegenüberzustellen.
a) Dass die Einnahme von Rauschmitteln grundsätzlich der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit unterfallen kann, wird durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1994 nicht in Zweifel gezogen. Es hat diese Handlung allerdings den Schranken des 2. Halbsatzes von Art. 2 Abs. 1 GG unterworfen und ausgeführt, dass der Umgang mit Drogen, insbesondere das Sichberauschen, nicht zum unbeschränkbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung gehört. Daher ist die Aussage in den Vorlagen des Amtsgerichts Bernau bei Berlin verkürzt, das Bundesverfassungsgericht habe ein „Recht auf Rausch“ verneint. Denn dieses hat nur entschieden, dass es kein „Recht auf Rausch“ gibt, das den Beschränkungen des Art. 2 Abs. 1 GG entzogen wäre. Soweit sich das Amtsgericht gegen diese verfassungsgerichtliche Auffassung stellt, genügt seine Argumentation den erhöhten Anforderungen an die Begründung einer erneuten Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG daher schon deshalb nicht, weil es von einem falschen verfassungsrechtlichen Maßstab ausgeht. Aber auch inhaltlich vermag es die Grundaussage des Bundesverfassungsgerichts, der Umgang mit Drogen, insbesondere das Sichberauschen, könne nicht zu dem keinen Beschränkungen unterworfenen Kernbereich privater Lebensgestaltung gerechnet werden, nicht zu erschüttern.
b) Die Vorlagen zeigen keine rechtserheblichen Änderungen der Sach- und Rechtslage auf, auf deren Grundlage die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 1994, wonach der mit dem strafbewehrten Cannabisverbot verbundene Eingriff in die Freiheitsrechte der Konsumenten gerechtfertigt ist, nicht mehr tragfähig sein könnte. Sie gehen von einem unzutreffenden Verständnis der Maßstäbe für eine verfassungsgerichtliche Überprüfung von Strafnormen aus. Ihre Erwägungen nehmen weder die Argumentation aus der Entscheidung vom 9. März 1994 in richtiger Weise auf noch zeigen sie rechtserhebliche Änderungen der Sach- und Rechtslage auf, die geeignet wären, die Tragfähigkeit der dortigen Begründung für eine Verfassungskonformität der vorgelegten Strafnormen in Frage zu stellen.
aa) Dies gilt zunächst für die Argumentation der Vorlagen zum angeblichen Fehlen eines legitimen Zwecks.
(1) Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung vom 9. März 1994 dem Betäubungsmittelstrafrecht und der Einordnung von Cannabis als Betäubungsmittel mehrere Zwecke zuerkannt. Die Regelungen sollen die Gesundheit sowohl des Einzelnen als auch der Bevölkerung im Ganzen vor den von Cannabisprodukten ausgehenden Gefahren schützen und vor allem Jugendliche vor der Abhängigkeit von Betäubungsmitteln bewahren. Außerdem soll das Betäubungsmittelstrafrecht das soziale Zusammenleben vor den Gefahren schützen, die von sozialschädlichen Wirkungen des Umgangs mit Drogen, auch des Umgangs mit der sogenannten weichen Droge Cannabis, ausgehen. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang darauf abgestellt, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Gefährlichkeit von Cannabis nichts daran änderten, dass der mit der Einordnung als Betäubungsmittel verbundene Zweck vor der Verfassung Bestand habe. Zwar habe sich der Cannabiskonsum als weit weniger gefährlich erwiesen, als es der Gesetzgeber noch bei Erlass des Betäubungsmittelgesetzes angenommen habe. Die Annahme gänzlich fehlender Gefährlichkeit von Cannabis sei aber weiterhin ungesichert.
(2) Die Vorlagen zeigen nicht substantiiert auf, weshalb die damals gebilligte Zielsetzung des Betäubungsmittelstrafrechts auf verfassungsrechtlicher Ebene keinen Bestand mehr haben sollte. Sie gehen selbst nicht davon aus, dass Cannabis vollkommen ungefährlich ist. Sie beschränken sich weitgehend darauf, bekannte Gesichtspunkte einer neuen, eigenen Bewertung zu unterziehen und auf Unsicherheiten in der medizinischen Forschung zu verweisen.
Die Vorlagen stützen sich im Wesentlichen darauf, dass für einen erwachsenen Gelegenheitskonsumenten keine erheblichen Gefahren vom Cannabiskonsum ausgingen. Dabei setzen sie sich nicht damit auseinander, dass das Bundesverfassungsgericht bereits berücksichtigt hat, dass über die Bewertung der Gefahren des Cannabiskonsums keine Einigkeit besteht, die unmittelbaren gesundheitlichen Schäden bei mäßigem Genuss jedoch eher als gering eingeschätzt werden. Die Vorlagen bringen somit keine neuen Erkenntnisse vor, welche diese Ausführungen als nicht mehr verfassungsrechtlich tragfähig erscheinen ließen.
Die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts werden auch nicht dadurch tragfähig in Zweifel gezogen, dass die Vorlagen dem Gefährdungspotential von Cannabis dessen medizinischen Nutzen entgegenhalten. Denn die vorlegenden Gerichte bringen dieses Argument nicht in einen Zusammenhang mit den bestehenden Regelungen zur medizinischen Nutzung von Cannabis. Damit genügen die Vorlagen ihrer Aufgabe nicht, die weiteren mit den zur Überprüfung gestellten Normen im Zusammenhang stehenden Bestimmungen in ihre rechtlichen Erwägungen einzubeziehen.
bb) Die Vorlagen erschüttern ferner nicht die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung vom 9. März 1994 zur Geeignetheit des strafbewehrten Cannabisverbots.
(1) Ausgangspunkt der dortigen Geeignetheitsprüfung des Bundesverfassungsgerichts waren die von ihm angenommenen Gefahren und Risiken des Cannabiskonsums. Es hat auch in diesem Zusammenhang berücksichtigt, dass sich die von Cannabisprodukten ausgehenden Gesundheitsgefahren schon damals als geringer darstellten, als es der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes angenommen hatte. Weiterer Ausgangspunkt der Prüfung war die gesetzliche Konzeption, den gesamten Umgang mit Cannabisprodukten mit Ausnahme des Konsums selbst wegen der von der Droge und dem Handel mit ihr ausgehenden Gefahren für den Einzelnen und die Allgemeinheit einer umfassenden staatlichen Kontrolle zu unterwerfen und zur Durchsetzung dieser Kontrolle den unerlaubten Umgang mit Cannabisprodukten lückenlos mit Strafe zu bedrohen.
(2) Die Vorlagen ziehen in ihrer Darlegung diese Aussagen nicht verfassungsrechtlich tragfähig in Zweifel. Sie berücksichtigen die vom Gesetzgeber verfolgten – und in der Entscheidung vom 9. März 1994 gebilligten – Zielsetzungen des Gesetzgebers nur unvollständig.
Die Tatsache, dass im rechtlichen Zusammenleben gegen Strafgesetze verstoßen wird, spricht für sich allein nicht gegen deren generelle Eignung zur Erreichung des mit ihnen verbundenen Zwecks.
Das Betäubungsmittelstrafrecht ist darauf ausgerichtet, insbesondere auf Handelsebene, den sozialen Unwert, den der Gesetzgeber Betäubungsmittelhandelsgeschäften zuspricht, zu kennzeichnen und diese Geschäfte zu sanktionieren. Von besonderer Bedeutung ist dabei, das Universalrechtsgut des Jugendschutzes zu stärken und weiteren Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität zu begegnen.
Von den Vorlagen wird nicht dargetan, dass das Betäubungsmittelstrafrecht aufgrund einer rechtserheblichen Änderung der Sach- und Rechtslage nunmehr generell ungeeignet wäre, die Gesetzeszwecke zu fördern. Sie setzen sich mit diesen Zielsetzungen des Betäubungsmittelstrafrechts nicht auseinander. Zudem blenden sie die Gründe aus, die im Gesetzgebungsverfahren für die Ausgestaltung des Betäubungsmittelstrafrechts maßgeblich waren.
cc) Die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zur Erforderlichkeit eines strafbewehrten Cannabisverbots und der dieses Verbot ausfüllenden Strafnormen werden durch die Vorlagen ebenfalls nicht in Frage gestellt.
(1) Es hat in seiner Entscheidung vom 9. März 1994 die Einschätzung des Gesetzgebers, die strafbewehrten Verbote gegen den unerlaubten Umgang mit Cannabisprodukten seien erforderlich, um die Ziele des Gesetzes zu erreichen, von Verfassungs wegen nicht beanstandet. Den Einwand, die bisherige Cannabis-Prohibition habe die Gesetzesziele nicht vollständig erreichen können und eine Freigabe von Cannabis würde als milderes Mittel diese Zwecke eher erfüllen, hat es nicht als durchgreifend angesehen, weil die kriminalpolitische Diskussion darüber noch nicht abgeschlossen sei. Ausdrücklich hat das Bundesverfassungsgericht die Einschätzungs- und Entscheidungsprärogative des Gesetzgebers für die Wahl zwischen mehreren potentiell geeigneten Wegen zur Erreichung eines Gesetzesziels herausgestellt. Es hat darauf verwiesen, dass nur unter besonderen Voraussetzungen Fälle denkbar seien, in denen gesicherte kriminologische Erkenntnisse im Rahmen der Normenkontrolle Beachtung erforderten, weil sie den Gesetzgeber zu einer bestimmten Behandlung einer von Verfassungs wegen gesetzlich zu regelnden Frage zwängen oder ihm geböten, die getroffene Regelung als mögliche Lösung auszuschließen.
(2) Vor dem Hintergrund dieses eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Kontrollmaßstabs fehlt den Vorlagen die erforderliche Substanz.
Es ist Sache des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, Strafnormen gesellschaftlichen Entwicklungen anzupassen. Rechtspolitische Forderungen nach einer „besseren Cannabispolitik“ sind daher generell nicht geeignet, die Entscheidung des Gesetzgebers im Hinblick auf ihre Erforderlichkeit zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Zwecks verfassungsrechtlich tragfähig in Zweifel zu ziehen. Gesicherte kriminologische Erkenntnisse, die geeignet wären, den Gesetzgeber zu einer bestimmten Behandlung einer von Verfassung wegen gesetzlich zu regelnden Frage zu zwingen oder doch die getroffene Regelung als mögliche Lösung auszuschließen, zeigen die Vorlagen nicht auf.
dd) Die Vorlagen machen ferner nicht deutlich, weshalb die tragenden Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zur Angemessenheit des strafbewehrten Cannabisverbots und der dieses Verbot ausfüllenden Strafnormen von Verfassungs wegen keinen Bestand mehr haben können.
(1) Das allgemeine Konzept des Gesetzgebers, den Umgang mit Cannabisprodukten – abgesehen von sehr engen Ausnahmen – umfassend zu verbieten, verstößt nach der Entscheidung vom 9. März 1994 nicht gegen das Übermaßverbot. Es ist durch die Zwecke gerechtfertigt, die Bevölkerung, insbesondere die Jugend, vor den von der Droge ausgehenden Gesundheitsgefahren sowie vor der Gefahr einer psychischen Abhängigkeit zu schützen und deshalb vor allem kriminellen Organisationen, die den Drogenmarkt beherrschen, und ihrem gemeinschädlichen Wirken entgegenzutreten. Diesen wichtigen Gemeinschaftsbelangen gegenüberstehende gleichwertige Interessen an einer Freigabe des Umgangs mit Cannabis hat das Bundesverfassungsgericht nicht gesehen. Der Zweite Senat hat außerdem die Entscheidung des Gesetzgebers gebilligt, zur Durchsetzung des Verbots das Mittel der Kriminalstrafe einzusetzen.
Dabei hat das Bundesverfassungsgericht auch die in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG enthaltene Strafdrohung für den unerlaubten Erwerb von Cannabisprodukten sowie die in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 normierte Strafdrohung für den unerlaubten Besitz dieser Droge nicht für unverhältnismäßig gehalten. Einschränkend hat der Senat jedoch betont, dass gerade in diesen Fällen das Maß der von der einzelnen Tat ausgehenden Rechtsgütergefährdung und der individuellen Schuld gering sei und die Verhängung von Kriminalstrafen gegen Probierer und Gelegenheitskonsumenten kleiner Mengen von Cannabisprodukten in ihren Auswirkungen auf den einzelnen Täter zu spezialpräventiv eher nachteiligen Ergebnissen führen könne. Dennoch hat er auch unter Berücksichtigung solcher Fallgestaltungen keinen Verstoß der generellen Strafandrohung für den unerlaubten Erwerb und den unerlaubten Besitz von Cannabisprodukten gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot angenommen. Er hat insoweit auf die Möglichkeiten verwiesen, von der Verfolgung solcher Taten gemäß § 31a BtMG oder von einer Bestrafung des Täters gemäß § 29 Abs. 5 BtMG abzusehen.
(2) Die Vorlagen bringen keine rechtserheblichen Änderungen der Sach- und Rechtslage vor, die die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts erschüttern.
Den von den Vorlagen vorgebrachten Gesichtspunkt, dass die Konzeption des umfassenden Cannabisverbots gegen das Übermaßverbot verstoße, weil sie auch konsumnahe Delikte, die auf geringe Mengen bezogen sind, unter Strafe stelle, hat das Bundesverfassungsgericht ebenso bedacht wie den Umstand einer Kriminalisierung von „Millionen von Konsumenten“. Auch dass für einen erwachsenen Gelegenheitskonsumenten keine erheblichen Gefahren vom Cannabiskonsum ausgehen sollen, ist Grundlage der Entscheidung vom 9. März 1994 gewesen. Letztlich zeigen die vorlegenden Gerichte mit diesem Vorbringen nur auf, dass sie die prozessuale Lösung des Bundesverfassungsgerichts für verfehlt halten.
Liberalisierungstendenzen in anderen Staaten oder die rechtspolitische Diskussion der Entkriminalisierung in der Bundesrepublik Deutschland stellen ebenfalls keine rechtserheblichen Änderungen der Sach- und Rechtslage dar, die geeignet wären, die tragenden Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zur prozessualen Lösung verfassungsrechtlich durchgreifend in Zweifel zu ziehen.
c) Die Vorlagen zeigen auch unter dem Aspekt des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 1994 in ihrer Begründung keinen Bestand mehr haben kann.
aa) Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit einer Ungleichbehandlung von Cannabis und Alkohol bringen die Vorlagen keine rechtserheblichen Änderungen der Sach- und Rechtslage vor, die die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts, mit denen es diese Ungleichbehandlung als gerechtfertigt angesehen hat, erschüttern.
(1) Das Bundesverfassungsgericht hat es als verfassungsrechtlich zulässig erachtet, im Sachbereich des Betäubungsmittelstrafrechts anzunehmen, dass für die unterschiedliche Regelung des Umgangs mit Cannabisprodukten einerseits und mit Alkohol und Nikotin andererseits Gründe von solcher Art und solchem Gewicht vorhanden sind, die die unterschiedlichen Rechtsfolgen für die Betroffenen rechtfertigen. Unter anderem hat der Senat darauf abgestellt, dass der Gesetzgeber den Genuss von Alkohol wegen der herkömmlichen Konsumgewohnheiten in Deutschland und im europäischen Kulturkreis nicht effektiv unterbinden könne.
(2) Die Argumentation der Vorlagen, Alkoholkonsum sei weit gefährlicher und schädlicher als Cannabiskonsum und daher seien Cannabis und Alkohol keine „potentiell gleich gefährlichen Drogen“, genügt den Darlegungsanforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht. Soweit die Vorlagen einen Gefährlichkeits- und Schädlichkeitsvergleich bemühen, verkennen sie, dass nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts das Maß der Gesundheitsgefährdung nicht das einzig maßgebliche Kriterium für die Aufnahme eines Stoffs in die Positivliste bildet. Der Zweite Senat ist vielmehr davon ausgegangen, dass der Missbrauch von Alkohol Gefahren sowohl für den Einzelnen wie auch die Allgemeinheit mit sich bringt, die denen des Konsums von Cannabisprodukten gleichkommen oder sie sogar übertreffen. Gleichwohl hat er es nicht als durch Art. 3 Abs. 1 GG geboten angesehen, auf das Verbot des Rauschmittels Cannabis zu verzichten, weil der Genuss von Alkohol nicht effektiv unterbunden werden könne. Damit setzen die Vorlagen sich nicht hinreichend auseinander; insbesondere genügt der bloße Hinweis auf angeblich geänderte kulturelle Gewohnheiten in Bezug auf Cannabis hierfür nicht.
bb) Der Vortrag der Vorlagen zur Verfassungswidrigkeit der unterschiedlichen Rechtsanwendungspraxis bei der Anwendung des § 31a BtMG (Absehen von der Verfolgung) genügt ebenfalls nicht den Begründungsanforderungen.
Soweit die Vorlagen in der unterschiedlichen Rechtsanwendungspraxis neue entscheidungserhebliche Tatsachen sehen, die zur Zulässigkeit der hilfsweise vorgelegten Frage der Verfassungswidrigkeit des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG in der Alternative des Erwerbens von Cannabis und des § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG, jeweils in Verbindung mit Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG, führen, trifft dies zwar im Ausgangspunkt zu. Jedoch setzen sich die Vorlagen insoweit nicht mit den Erwägungen des Senats zu einer Verletzung des Übermaßverbots durch § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG
a. F. und § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG a. F. auseinander. Vielmehr machen sie einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG geltend und verkennen dabei, dass – ihrer Argumentation folgend – dieser Verstoß nicht in der Rechtssetzung, sondern in der Rechtsanwendung liegt. Die vorlegenden Gerichte lassen außer Betracht, dass eine – an sich nicht zu beanstandende – gesetzliche Regelung, gegen die in der Rechtsanwendungspraxis in verfassungswidriger Weise verstoßen wird, grundsätzlich nur dann selbst das Grundgesetz verletzt, wenn die verfassungswidrige Praxis auf die Vorschrift selbst zurückzuführen ist, mithin Ausdruck eines strukturbedingt zu dieser Praxis führenden normativen Regelungsdefizits ist. Eine solche Konstellation zeigen die Vorlagen nicht auf.
d) Eine Verletzung des Gesetzlichkeitsprinzips aus Art. 103 Abs. 2 GG, insbesondere in der Ausprägung als Bestimmtheitsgebot, legen die Vorlagen ebenfalls nicht in einer den Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügenden Weise dar.
aa) Die Vorlagen sehen den Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG darin, dass der Gesetzgeber keine Schwellenwerte für den Begriff der geringen Menge in § 31a Abs. 1 Satz 1 BtMG festgelegt hat. Das Amtsgericht Pasewalk bezieht zusätzlich den Begriff der nicht geringen Menge in § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in die Argumentation ein. Weil die Rechtsanwendungspraxis bei der Abgrenzung der Mengenbegriffe von unterschiedlichen Parametern ausgehe (Nettogewicht einerseits, Wirkstoffgehalt andererseits), sei nicht vorhersehbar, wann die Gefahr einer Bestrafung nach welcher Vorschrift bestehe.
bb) Dies genügt den gesetzlichen Begründungsanforderungen erneut nicht, weil sich die Vorlagen nicht in der gebotenen Weise mit dem verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab und der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Gesetzlichkeitsprinzip und dessen Ausprägung als Bestimmtheitsgebot auseinandersetzen. Die vorlegenden Gerichte verkennen, dass gegen die Verwendung wertausfüllungsbedürftiger Begriffe bis hin zu Generalklauseln im Strafrecht jedenfalls dann keine Bedenken bestehen, wenn sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes, durch Berücksichtigung des Normzusammenhangs oder aufgrund einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für eine Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt. Dies ist bei den Mengenbegriffen des Betäubungsmittelstrafrechts der Fall. Sie haben durch eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung Konturierung erfahren.
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